Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
21-FEB-2006

Leserzuschriften zu einer Rezension des Buches "TERMINOLOGIE Gerätturnen"

erschienen in der Ausgabe 01 / 2006 LEON*- Turnmagazin 

 

(1) Einige Anmerkungen zu einer Rezension der Terminologie des Gerätturnens von Arnold und Leirich im Leon vom Dezember Nr. 06, Seite 27
<<  von Prof. Dr. Detlef SCHMIDT,
(Unterschleißheim, den 30.01.2006)  

Frau Sandra Schmidt veröffentlicht im Leon 2005, Nr. 6 auf Seite 26 und 27 zwei Buchbesprechungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der  einen Seite werden die Materialien für die Trainerausbildung im Gerätturnen von veröffentlicht im Leon 2005, Nr. 6 auf Seite 26 und 27 zwei Buchbesprechungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der  einen Seite werden die Materialien für die Trainerausbildung im Gerätturnen von Flavio Bessi vorgestellt und wohlwollend behandelt, wie man das von einem Buch eines Turners für Turner erwartet.

Auf der anderen Seite steht die Besprechung der Terminologie des Gerätturnens von Klaus Arnold und Jürgen Leirich, bei der man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es sich nicht um ein Vorstellen sondern um einen Veriss handelt, der in der Aussage unsachlich und im Stil von der ersten bis zur letzten Zeile gehässig wirkt.
Es wird mir nicht klar, was die Autorin dazu veranlasst und wo der konstruktive Ansatz ihrer Kritik liegen könnte. Dabei dreht es sich in dem Büchlein um ein für das Fachgebiet Gerätturnen durchaus ernstzunehmendes Anliegen, um seine Terminologie und deren theoretische Grundlagen.

bei der man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es sich nicht um ein Vorstellen sondern um einen Veriss handelt, der in der Aussage unsachlich und im Stil von der ersten bis zur letzten Zeile gehässig wirkt.
Es wird mir nicht klar, was die Autorin dazu veranlasst und wo der konstruktive Ansatz ihrer Kritik liegen könnte. Dabei dreht es sich in dem Büchlein um ein für das Fachgebiet Gerätturnen durchaus ernstzunehmendes Anliegen, um seine Terminologie und deren theoretische Grundlagen.

Kritisch muss durchaus eingeräumt werden,
dass es für das Buch sicher nicht besonders förderlich war, dass sich die Autoren auf die Turnelemente der Veröffentlichung aus den 70er Jahren beziehen und nur exemplarisch auf einige Konventionalausdrücke des Code de Pointage eingehen. Auch die fehlerhafte Beschreibung eines Elements ist sicher nicht entschuldbar, sie ist aber eben auch keine Katastrophe, weil nicht die Terminologie den Fehler verursachte sondern die fehlerhafte Interpretation.

Da die o.g. Kritikerin offensichtlich die Bedeutung einer einheitlichen Turnterminologie nicht sieht, möchte ich aus meiner Sicht einige Aspekte hervorheben, die durchaus dafür sprechen, eine einheitliche, deutsche Turnterminologie zu fördern und weiterzuentwickeln.

  1. Also, turnen kann man auch so, ohne ein anspruchsvolles Gebilde wie eine Fachsprache und in der Turnhalle versteht man sich auch, aber in jeder Halle mit anderen Begriffen, Abkürzungen und einem bestimmten, zum Teil auch noch mundartlich gefärbten Jargon. Aber schlimmer wird es schon, wenn man die eigenen vier Wände verlässt und sich mit anderen Turnfreunden verständigen will. Da prallen die verschiedenen Bezeichnungen aufeinander und wenn es gar darum geht, eine Ausschreibung für einen Wettkampf, Normen für Leistungsüberprüfungen oder bestimmte Tests zu veröffentlichen, beziehungsweise wissenschaftliche  Publikationen zu schreiben. Dann kommt es zu Ratlosigkeit und Wildwuchs, Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Konventionalausdrücke, obwohl schön kurz, helfen da auch nicht weiter, denn sie stehen nur für einen Teil der Turnelemente und haben zum Bewegungsablauf wenig Bezug. Dabei leben wir im Informationszeitalter. Kommunikation wird groß geschrieben und das setzt natürlich voraus, das jeder die Sprache des anderen versteht. Weitaus einfacher ist es, wenn alle die gleiche Sprache sprechen. Und hier setzt der Vorteil einer einheitlichen Fachsprache für das Gerätturnen an. Wir haben mit der Terminologie des Gerätturnens ein  Werkzeug, oder moderner ausgedrückt ein „tool“ das uns die Kommunikation miteinander,  auf allen Ebenen der Praxis und der Fachwissenschaft erlaubt. Es kommt nur darauf an, dieses Werkzeug wieder bekannt zu machen, sicher auch, es den neusten Trends im Gerätturnen anzupassen und seine fachwissenschaftlichen Grundlagen weiterzuentwickeln.
  2. Diese Anliegen ist nicht neu. Die ersten Bezeichnungen von Turngeräten und Übungen gehen auf  Friedrich Ludwig Jahn zurück. Das muss ja nun, unabhängig von der subjektiven politischen Einschätzung Jahns anerkannt werden. In der „Neuzeit“, in den fünfziger Jahren des vorigen  Jahrhunderts machten sich Benedix und Mügge damit verdient, dass sie 1952 die „Die Bezeichnungen der Gerätübungen“  herausgaben. 1967 folgte A. Bertram mit seinem Buch „Die deutsche Turnsprache“. Beide Arbeiten waren ein Fortschritt, ihnen fehlten aber noch das theoretische Fundament. Deshalb gingen in den 60er Jahren K. Rieling und seine Mitarbeiter J. Leirich und R. Hess, daran, wissenschaftliche Grundlagen für eine Terminologie des Gerätturnens zu schaffen. Sie fragten nach den übereinstimmenden Merkmalen in der Bewegungsstruktur der Turnelemente und nach den ihnen  zugrunde  liegenden Gesetzen. Sie stießen auf die strukturellen Merkmale von solchen Elementen und ordneten nach diesen klassenbildenden Merkmalen die Turnelemente in Bewegungsklassen ein. Was ist näherliegend, als dann zu folgern, was einer gleichen Klasse angehört, sollte auch gleich benannt werden. Mit dieser so einfachen wie genialen Konstruktion war sowohl die bis heute gültige Grundlage für die Klassifizierung von Turnelementen als auch die Voraussetzung für ihre Bezeichnungen im  Rahmen der Terminologie des Gerätturnens geschaffen.

3.   Jede Sportart hat den Anspruch, wenn man sie wissenschaftlich betrachtet, auch über eine eigene Fachsprache zu verfügen und hier haben wir den großen Vorteil, auf Traditionen in Deutschland aufbauen zu können, wie sie wohl in kaum einem anderen Land vorhanden sind. Ich sehe darin auch keinen alten „jahnschen“ Bart, sondern einen Vorteil, der darin besteht, dass man über die Bezeichnung der Turnelemente auch gleich eine Vorstellung über den Bewegungsablauf vermittelt bekommt. Da sind wir im Vorteil, wenn ich uns mit Judo vergleiche, wo jeder Schüler ohne zu murren die japanischen Ausdrücke in seinem Dojo oder auf seiner Tatami lernen muss, um die Gürtelprüfungen zu bestehen oder wenn wir auf die Aerobic blicken, wo man ohne „bodycrunches“ und „leftlegs“ nicht auskommt.

  1. Nun zum Verhältnis der Turnterminologie zum Code de Pointage.
    Hier gehen unsere Auffassungen anscheinend grundlegend auseinander.
    Wenn die Autorin schreibt, „dass die Grundlage für jeden kommunikationswilligen Kampfrichter die in der dreisprachigen (engl./franz./dt.) Ausgabe des Code de Pointage verwendeten Begriffe sein müssen“ ( Leon 2005 Nr. 06, S. 27, Spalte 1, Z. 9 v. unten), dann geht sie von einer falschen Position aus, weil sie nicht erkennt, das es sich bei der Terminologie des Gerätturnens um die Grundlage für die Bezeichnung der Turnelemente aller Ebenen handelt und die Kommunikation der Kampfrichter nur ein Anwendungsgebiet darstellt. Die große Menge der sogenannten wertlosen Teile wird im Code de Pointage gar nicht behandelt. Das aber ist das Übungsgut des Breitensports und auch der Jugendklassen im Leistungssport. Es muss also neben dem Code de Pointage ein weiteres Instrument geben, nach dem alle, auch die einfachen Turnelemente zweifelsfrei bezeichnet werden können. Sie beachtet aber auch nicht, dass die deutschen Bezeichnungen der Elemente in den Fassungen des Code de Pointage, die bis 2005 gültig waren, immer auf der Grundlage der deutschsprachigen Turnterminologie erarbeitet und bei höherschwierigen Elementen entsprechend abgeleitet wurden. Für den gegenwärtig vorliegenden Entwurf des Code de Pointage, der ab 2006 gültig werden soll, existieren bisher nur drei Fassungen in englischer, französischer und spanischer Sprache und nach meiner Kenntnis wird es das Anliegen der deutschen Fachleute sein, eine entsprechende deutsche Fassung auf der Basis der gleichen Grundlagen wie bisher zu herauszubringen. Also auch hier wird  eine terminologische Grundlage benötig, zumal im internationalen Raum häufig auf eine verbale Kommunikation verzichtet und auf bildliche Darstellung zurückgegriffen wird.

5.   Für den großen Bereich der breitensportlichen Wettkämpfe im DTB besteht natürlich ein Bedarf, die erforderlichen Wettkampfunterlagen wie Aufgabenbücher  und Ausschreibungen von Pflicht-, A- und B-Übungen usw. terminologisch eindeutig zu fixieren. Jedenfalls ist man sich in der Technischen Komitee Gerätturnen darüber im Klaren, dass nach Fertigstellung des Aufgabenbuches und der Pflichtübungen eine terminologische Überarbeitung ansteht.

6.   Wenn das Gerätturnen in der studentischen Ausbildung und in der Schule unter anderem zu Gunsten der „Spaßsportarten“ stark an Boden verloren hat ist das aus der Sicht des Gerätturnens als Grundsportart mit ihren unbestritten hohen Werten für die Körperliche Bildung natürlich sehr bedauerlich. Aber das eine vernünftige Anwendung der Terminologie, immer dann, wenn es darum geht  etwas zu veröffentlichen, dadurch in Frage gestellt wird, halte ich für falsch.

7.   In der Übungsleiterausbildung streben wir nach höchster Qualität und haben Qualitätsstandards für die äußeren und inneren Bedingungen der Ausbildung fixiert. Fachliche Qualität für die Übungsleiter- und Trainerausbildung im Gerätturnen heißt hier aber auch, die Grundlagen der Turnterminologie zu beherrschen. Wäre es nicht ein großartiges Ergebnis, wenn alle Übungsleiter  ab morgen, die gleichen Bezeichnungen der Elemente verwenden würden und sich auf diese Weise verstehen, Bewegungsvorstellungen anregen und methodische Konsequenzen  für den Lernprozess ableiten könnten ?

Zum Abschluss gibt es für mich eigentlich nur eine Konsequenz, die Turnterminologie als Fachsprache des Gerätturnens und ihre Grundlagen, die Systematik der Turnelemente unter Berücksichtigung der Anforderungen des Hochleistungssport und der Belange des Breitensports weiter zu entwickeln und zu verbreiten, damit die Kommunikationsbasis im Fachgebiet erhalten bleibt. Die Zuständigkeit für dieses Aufgabengebiet liegt sicher bei der Sportwissenschaft, für die Umsetzung ist der Fachverband verantwortlich.

(Nachbemerkung: Bei späteren Berührungen mit objektbezogenen Programmiersprachen der EDV ist mir aufgefallen,
dass hier das gleiche Prinzip herrscht, Objekte werden auf Grund ihrer Eigenschaften bestimmt, nur dass in der Programmierung der Begriff der Eigenschaften zum Teil präziser, zum Teil weiter gefasst wird. Jedenfalls wäre es interessant, dem Gedanken zu folgen und die Turnelemente auf Grund ihrer Merkmale so zu verschlüsseln, dass sie EDV-mäßig bearbeitet werden könnten. Wir wissen ja, dass im Wasserspringen jeder Sprung eindeutig durch eine Kennziffern beschrieben wird
.)

Prof. Dr. Detlef SCHMIDT,
(Unterschleißheim, den 30.01.2006)

 

.... mehr dazu:  >> Leserzuschrift: Dr. Kurt Knirsch       >>  Leserzuschrift Bernard Schwermann 
>> Leserzuschrift: Mag. Robert Labner  
>> Standpunkt Jahn-Förderverein zur Jahnkritik 
>> Prof. Dr. Jochen Bartmuß: "Fr. L. Jahn - Mensch seiner Zeit"


>> TERMINOLOGIE Gerätturnen  von Arnold / Leirich 

 

Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?

(... wir sind sehr auch an Ihrer Meinung interessiert. Diskutieren Sie mit!)
YOUR mail, to:  /  Abschicken an... :
email_monitor.gif (15369 Byte)
office@gymmedia.com