30. Juli 2012  
Olympiastadt LONDON  
Gerätturnen

CHINA mit 3. Gold im neuen Jahrtausend - und nach Protest:Silber doch wieder für JAPAN, Bronze für GROSSBRITANNIEN!

... zunächst fassungslose und enttäuschte  japanische Gesichter, jubelnde Chinesen sowie euphorische Briten bestimmten die Schlussbilder in der North Greenwich Arena zu London: Selten zuvor hat es ein solch dramatisches olympisches Mannschaftsfinale gegeben!
Dominiert wurde der Wettbewerb eindeutig vom 3. chinesischen Sieg seit 2000. Mit 275,997 Punkten ließen die Männer aus dem Reich der Mitte ihren instabilen Qualifikationsdurchgang vergessen und gewannen nach Sydney und Peking erneut Gold.
Als am letzten Gerät ausgerechnet der japanische Star Kohei Uchimura, der sich zuvor eigentlich wieder gefangen hatte, beim letzten Handstandabgang am Pferd abstürzte, sprang schon eine jubelnde britische Riege auf und feierte bereits die vermeintliche Sensation: Silber mit 271,711 Punkten, wo man doch seit 1948 und 1992 gerade mal 12. Plätze und sonst nicht mal als Team dabei war ...!
Ukraine mit 271,526 auf Bronze und Japan mit nur 271,526 medaillenlos ... ???
... was war geschehen ...?

Unsere GYMmedia-Korrespondenten Ronny ZIESMER (GER), Federic LOPEZ (ESP) und Jop ASHGAIR (GBR) übermitteln ihre Berichte nach den einzelnen Durchgängen!
- die Chefredaktuer Eckhard HERHOLZ zusammenfasst.

... zum Wettkampfverlauf:

* CHINA - 275,997 = G O L D
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Insgesamt war von den Instabilitäten der Qualifikation - auch beim Pechvogel Guo Weiyang hier im Finale nichts mehr zu sehen.
Sprung, Barren und Reck waren die chinesischen Spitzengeräte:
Hier sammelten die Chinesen die höchsten Punktzahlen und verwiesen am Sprung die Briten und an Barren und Reck die Japaner eindeutig auf Rang zwei. Zou Kai testete am Reck gleich mal sein volles Programm (7.7 Schwierigkeit) und steuerte 16,400 Punkte (!) bei, legte am Boden noch 15,833 drauf und am letzten Gerät Pferd sicherten sie taktisch ihren 3. Olympiasieg nach Sydney (2000) und Peking (2008) ab.

* JAPAN - 271,952 -  =  S I L B E R
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Ihr heutiger "Katastrophendurchgang" war dort, wo sich andere ein Punktepolster verschaffen, am Sprung, gleich in der 2. Rotation: Yamamoto verletzte sich hier und musste aus der Halle getragen werden, das brachte Unruhe ins Team. Allerdings steigerte sich ein Kohei UCHIMURA in begeisternder Art und Weise, was ihn als echten Mehrkampffavoriten auswies: herausragend am Barren mit Lehrbuchübung - 15,416, gesteigert noch durch Karuhito TANAKA auf 15,500. Der allerdings verpatzte danach erst am Boden durch Sturz (13,733) und er stieg auch am letzten Gerät, dem Pferd, ab (13,433).
Es ging jetzt um die Medaillen: Riesenlast auf den Schultern von Kohei UCHIMURA, der als letzter Turner auf die Pauschen musste. Er turnte flüssig und agressiv, bis ... ja bis zum Abgang ... beim Handstand stürtzte er regelrecht ab, so dass zunächst durch seine Wertung (13,466) eine Gesamtpunktzahl von 271,252 angezeigt wurde, die die Briten wie von der Tarantel gestochen in die Höhe springen ließ: Japan nur auf Platz vier (??), davor die Briten mit Silber und überraschend Bronze für die Ukraine ...
Doch es solte nach längeren Diskussionen des Techn. Komittees der FIG unter Leitung des Rumänen Adrian Stoica, anders kommen ...

3. GREAT BRITAIN - 271,711 - BRONZE
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Man hatte sich verrechnet: Bei einem Japaner war wohl ein D-Teil falsch bewertet worden, so dass der Olympiazweite von 2008  erfolgreich Protest einlegte, die britische Euphorie ein wenig gedämpft, aber der Jubel um die erste Bronzemedaille nach 100 Jahren wieder, kaum geringer wurde...!

Tatsächlich hatten die Briten einen begeisternden Wettkampf abgeliefert:
Insbesondere am Boden lieferten sie den Spitzenwert von 46,152 Gerätepunkten vor den jungen Russen (45,308) und den USA (45,266) - China, trotz Zou, Kai und Japan (Sturz Tanaka) hier geschlagen.
Und natürlich waren sie am Pferd nicht zu toppen (45, 932), hier allein nahmen sie den Deutschen fast 5,5 Punkte ab ... konnten also z. B. am Reck den Sturz von Sam Oldham gut kompensieren.

4. UKRAINE - 271,526  - unerwartete Steigerung!
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Ein wenig im Schatten des Medaillenkampfes überraschten die Ukrainer mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung ihrer jungen, sehr athletischen und technisch gut präparierten jungen Burschen:
An den Ringen boten sie hinter den Russen (46,132), aber gleichauf mit den Japanern die zweitbeste Leistung (45,699), sichere Pferdauftritte und drittbestes Sprungresultat ließen sie  sogar vor den eigentlich stärker erwarteten Russen einkommen.

5. USA -  269,952  - ... der Absturz des Tages an sich!
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Wenn man als beste Mannschaft der Qualifikation zwei Tage zuvor so gut drauf war, am Startgerät Boden eigentlich auch optimal begann (3.) dann aber an vier Geräten nicht ohne Fehler war - nur Reck lief wieder zur Zufriedenheit - findet man sich statt im Medaillenkampf, auf einem enttäuschenden 5. Rang wieder.
John OROZCO war diesmal der absolute Pechvogel des Tages: Er stieg am Pferd ab, dann erhielt er an seinem Powergerät Ringe nur 14,985 und stürzte zusätzlich noch am Sprung.
Dieser Modus verzeiht keine Fehler!

6. RUSSIA - 269,603 -   .. noch zu jung ...?
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Auper an den Ringen (1) und am Boden (2) wurde diese potenziell stärker eingeschätzte junge Mannschaft (noch) nicht den Erwartungen gerecht. Insbesondere die Instabilitäten ihres dritten Mannes (Pachomenko), der Sprung verstolperte und auch Reck verturnte, ließen sie nach Athen und Peking zum dritten Male in Folge auf Rang 6 verharren, hatte man ihnen doch schon hier in London ein Eingreifen in den Medaillenkampf zugetraut...!

7. GERMANY - 268,019   ... das Pferd war wieder mal Problemgerät
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Dominiert wurde das Team von einem, auf die Stunde vorbereiteten Fabian Hambüchen. Überall, wo er antrat, turnte der 24-Jährige auf den Punkt. Am Reck testete er schon mal - mit Winkler-Salto und 7.5 Schwierigkeit - erfolgreich sein volles Programm (16,166 !!), was Vorfreude auf das Reckfinale vermittelte und Spannung aufs Mehrkampffinale aufkommen lässt!
Weiterhin völlig neben sich, stand weiterhin der Pechvogel dieser Olympischen Turn-Wettbewere, Philipp Boy. Wie mit einer mentalen Bremse versehen, sah man ihm auch unterhalb des Podiums an, dass er psychisch nicht frei war, im Kopf. Lief es am Sprung nach Überschlag- Doppelsalto (ohne halbe Drehung, aber in tiefer Landungshocke, noch glimpflich ab, schien er beim Kolman-Salto, gleich seinem ersten Flugelement am Reck, einen Weitenrekord aufstellen zu wollen: So weit war ja noch nie von der Stange weggeflogen!
Übermotiviert ...? Das konnte es nicht sein. Eher war es der zumeist durch Verletzungen und allerlei Handicaps unrunde Saisonverlauf zuvor, der ihn in den Minuten der Entscheidungen nicht auf dem Gipfel des vollsten Leistungsabrufes sah ...!
Gestartet war man am Pferd schon mit einem Katastrophendurchgang:
- Andreas Toba "schleicht" sich auf Sicherheit bedacht durch die Übung, zum Schluss verpatzt er mit erkennbarem Kraftanteil den Handstand-Abgang.
- Philipp Boy - weiter im Pech: nach Querwandern vorwärts, sitzt er auf dem Pferdende und steigt ab...
Einzig Sebastian Krimmer zeigt (fast) alles, was er kann (14,733), aber allein hier verlieren die Deutschen 4,5 Punkte gegenüber den Briten an diesem Gerät!!

8. FRANCE - 265,441
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