Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
21-FEB-2006

Leserzuschriften zu einer Rezension des Buches "TERMINOLOGIE Gerätturnen"

erschienen in der Ausgabe 01 / 2006 LEON*- Turnmagazin 

 

(2) Replik zur REZENSION von Sandra Schmidt (Magazin LEON*, 06/2005) über das Buch:  Arnold / Leirich :  "Gerätturnen Terminologie
oder:  ... ein historisches Buch wider Willen! ....gegen wessen Willen eigentlich?)
<< von Kurt Knirsch, 72138 Kirchentellinsfurt  


"Zunächst vorweg:
"Es berührt den Verfasser dieser Zeilen, der die Entwicklung des Turnens nach dem 2. Weltkrieg in über 50 Jahren unmittelbar miterlebte und gestaltete, schon sehr seltsam, die Zeilen von Frau Schmidt verdauen zu müssen.

Aus meiner Sicht als Wettkämpfer, Lehrer und Dozent an der Universität in Forschung und Lehre, als Verantwortlicher auch für die Aus- und Fortbildung von Lehrern und Trainern, als Trainer auf nahezu allen Niveaustufen, als jemand, der Fachpublikationen zum Gerät- und Kinderturnen veröffentlichte, als ehrenamtlich für den regionalen, nationalen und internationalen Verband Tätiger hat die Bemühungen für eine einheitliche Turnsprache miterlebt.
Insbesondere die Forschungen zur Terminologie des Gerätturnens, die von einem Team (K. Arnold, Prof. G. Buchmann, J. Leirich und K. Rieling u. a.) zwischen 1967 und 1970 durchgeführt wurden, war für die Kommunikation unter Fachleuten im deutschspra chigem Raum und auch für die Weiterentwicklung der Lehre im Gerätturnen von immenser Bedeutung.
Der DTB verwendet (per Beschluss) sei 1980 für alle offiziellen Ausschreibungen von Pflichtübungen diese  „Terminologie Gerätturnen“.


Und nun zum Fachlichen:
Fachsprachen sind nun einmal dafür da, unabhängig ob im Ballett, der Medizin, Physik, Biologie und auch im Sport, sowohl verbal als auch schriftlich, eine fachliche Kommunikation zu ermöglichen.
Wer sich die Bezeichnungen von Turnelementen in Veröffentlichungen nach 1945 im deutschsprachigen Raum zur Turnsprache und Turnübungen (Mügge/Benedix 1952, Dickhut/Banz 1959, Bertram 1967, Wiemann 1968, Herold/Göhler 1973, Adatte/Günthard 1976 und einigen anderen deutschsprachigen Autoren) einmal genauer anschaut, kann verstehen, warum vor allem in der Ausbildung und in Ausschreibungen eine Einheitlichkeit hergestellt werden musste.
Auch in der FIG waren bereits 1976 bis 1984 Bestrebungen zu einer Vereinheitlichung für die Neufassung des Code de Pointage vorhanden, die leider nur diskutiert und nicht umgesetzt wurden.

Am Beispiel des „Kippaufschwung rücklings vorwärts“ (in „Gerätturnen Terminologie“) wird der „Wirrwar“ besonders deutlich, denn folgende andere Bezeichnungen werden, je nach Ländern oder Regionen, dafür verwendet:
Durchschub, Adlerschwung, Wolkenschieber, Felgüberschwung. Um dieses Element exakt zu beschreiben und verstehen zu können, eignet sich ausschließlich die „historische“ Benennung „Kippaufschwung rücklings vorwärts“, nach Leirich/Rieling u.a..
Diese Bezeichnung beruht auf biomechanischen Analysen in räumlicher, zeitlicher und dynamischer Hinsicht. Daraus leiteten sich Begründungen zu den bewegungsentscheidenden Positionen, Aktionen und Zeitverläufen ab.
Wir können damit verstehen, warum eine Bewegung „funktioniert“ (deshalb der Begriff „Funktionsphasen“) und so auch Elemente besser erklären und lehren.

Im Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen hat Prof. Göhner 1974 seine „Lehre nach Funktionsphasen“ veröffentlicht, die ich dann in meinen Turnpublikationen für die Lehre im Gerätturnen umgesetzt habe. Auch dies beruht auf den Arbeiten des genannten Forschungsteams von 1967-1970.

Die kursierenden „Mehrfachbezeichnungen“ könnten für viele Elemente fortgesetzt werden, zumal dann, wenn man die „Turnhallensprache“ in das Bezeichnungschaos dazu nimmt. Wenn außerdem die neuen Elemente, die nach ihrem Erfinder benannt werden, dazu kommen, ist die „Unübersichtlichkeit“ fast perfekt und unserer Meinung nach auch einer der Gründe, warum in der Öffentlichkeit neben dem Wertungschaos durch die FIG das Turnen nur noch von Fachleuten verstanden wird.

Frau Schmidt sollte einmal erklären, wie sie z. B. das Element „Aus dem Seitstand vorlings mit Ristgriff, Hüft-Aufschwung vorlings rückwärts“ exakt beschrieben hätte!
Da hilft es auch nichts, wenn sie dies mit einer „Schülerbemerkung“ fast ins lächerliche zieht, denn dies ist nun mal die einzige, präzise Beschreibung.

In einer Sache bin ich allerdings mit Frau Schmidt einer Meinung, die „Terminologie Gerätturnen“ hat viel von ihrem Wert verloren, weil die „Fünfsprachigkeit“ nicht mehr enthalten ist.

Auch ihre kritischen Bemerkungen zu den Zeichnungen kann ich nachvollziehen, Sie meint die vielfach  fehlerhaften, den Text erläuternden Bewegungszeichnungen von G. Buchmann. Diese waren nicht für die Darstellung von optimalen Bewegungstechniken gedacht.
Dazu: „methodisch falsche Körperpositionen“ gibt es nicht, höchstens bewegungstechnisch falsche Abbildungen (vgl. sie Angaben zu S. 63, 73, 87 und 88).

Eine neue Veröffentlichung, zur Terminologie Gerätturnen, die auf der Grundlage exakter biomechanischer Analysen beruht, mit technisch optimalen Bewegungsabläufen als Reihenbildern versehen, auch für die Konventionalausdrücke bei neuen Elementen, die nach ihren Erfindern benannt werden, z. B. auch die erwähnten Sprünge von Chorkina, würden einen enormen Forschungsaufwand bedeuten.
Nach meiner Einschätzung wäre derzeit kein Sportinstitut in der BRD, auch der Deutsche Turner-Bund nicht, zur Zeit finanziell oder personell dazu in der Lage.

Ein Letztes: Die Terminologie Gerätturnen, sowohl der 2. (1976) und 3. Auflage (1983) war unmittelbar nach der Wende 1991 vergriffen.
Es stellt sich die Frage, ob es nach 15 Jahren dann besser gewesen ist keine „neue Terminologie Gerätturnen“ aufzulegen und damit  k e i n e   turnsprachliche Veröffentlichung im Gerätturnen im deutschsprachigen Raum  zu haben oder mit der zugegebener- maßen nicht den heutigen Möglichkeiten entsprechenden Auflage zu leben?

Dr. Kurt Knirsch
72138 Kirchentellinsfurt

 

.... mehr dazu:  >> Leserzuschrift: Prof. Dr. Detlef Schmidt    >>  Leserzuschrift Bernard Schwermann
>> Leserzuschrift: Mag. Robert Labner 
>> Standpunkt Jahn-Förderverein zur Jahnkritik 
>> Prof. Dr. Jochen Bartmuß: "Fr. L. Jahn - Mensch seiner Zeit"


>> TERMINOLOGIE Gerätturnen  von Arnold / Leirich 

 

Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?

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