![]() |
Horst KUNZE (GER) |
Seit 1990 führt der Deutsche Horst KUNZE aus Rinteln mit Souveränität und höchstem Fachwissen als Präsident das Technische Komitee Trampolin des Turn-Weltverbandes F.I.G. und wurde im November 2012 im mexikanischen Cancun beim FIG-Kongress zum 7. Male in seiner Funktion wiedergewählt! Wie der heute 68-Jährige verlauten ließ, soll dies seine letzte Amtszeit sein. Dann wird das internationale Trampolinturnen 52 Jahre alt sein und er meinte, die Hälfte davon als erster Verantwortlicher geleitet zu haben, sei dann genug....!
GYMmedia hatte zum Jahreswechsel 2013/14 die Gelegenheit zu einem Gespräch zum Entwicklungsstand der jüngsten olympischen Turndisziplin:
GYMmedia --: Wie beurteilt der TK-Präsident des Turn-Weltverbandes die internationale Entwicklung der jüngsten olympischen Turndisziplin im Jahr 1 des neuen Olympiazyklusses?
*Horst KUNZE--: Der Altersdurchschnitt der Spitzenturner/innen ist in diesem Jahr nach den Olympischen Spielen um ca. 2 Jahre gefallen, da relativ viele Athleten zurückgetreten sind, die zum Teil auf sehr lange Karrieren zurückblicken konnten, so unter anderen die Weltmeister und Olympiasieger Lu Culong, Ye Shue, Shan Shan, Anna Dogodnaze, Henrik Stehlik, Karen Cockburn, aber auch viele Athleten, die nicht unbedingt die Finals bei Weltmeisterschaften erreichten, aber oft unter den Top 20 zu finden waren. Nicht alle Nationen können so leicht wie China augenblicklich neue Talente in die internationale Spitzenklasse bringen. Damit ergeben sich Chancen für weitere Verbände, sich in die Reihe der Etablierten zu drängen. So waren z.B. 14 Nationen in den Halbfinals der Mäner bei den Weltmeisterschaften 2013 in Sofia vertreten und 13 bei den Frauen! Das neu geschaffene Halbfinale (Top 24) hat zusätzliche Motivation geschaffen, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um zumindest hier Platzierungen zu erreichen. Die Vormachtstellung bei den Männern bleibt weiterhin bei den Chinesen, allerdings werden sie von Russland, Japan und auch Portugal bedrängt. Bärenstark sind inzwischen die Britinnen,die fünf fast gleichwertige Turnerinnen aufbieten können und sogar Mannschaftweltmeister wurden und damit jederzeit den Frauen aus China und Kanada Paroli bieten können.
GYMmedia --: Hat sich das neue Beurteilungskriterium "Flugzeit" bewährt? Was ist dadurch besser geworden...? Welche evtl. Probleme traten bei der Einführung auf?
* KUNZE --: Die Time of Flight (ToF) wurde über 2 Jahre vor Einführung 2011 getestet und hat sich sogleich bewährt. Wir brauchen keine komplizierten Tie Break Rules mehr und die Athleten haben ein zusätzliches objektives Kriterium, neben der Schwierigkeit, um den Wettkampf für sich zu entscheiden. Probleme gab es nicht, allerdings waren wir etwas verunsichert, ob es nicht doch etwas zu hoch hinaus gehen würde, da auch gleichzeitig neue Geräte entwickelt wurden, mit denen mehr Höhe erreichen werden kann. Die Athleten haben aber auch hier die richtige Balance erreicht und im Durchschnitt etwa 0,5 Sekunden pro Übung im Vergleich zu 2009, dem Beginn der Messungen, zugelegt. Im absoluten Spitzenbereich sind es bis zu 0,7 Sekunden.
GYMmedia --: Das Trampolinturnen hatte in jüngster Vergangenheit auch mit einigen technischen und Material-Problemen zu tun? (* ... siehe ► GYMmedia-News, 08. März 2011)
Sind diese beseitigt worden und wie geschah das? Welche Rolle spielte dabei der Weltverband FIG?
* KUNZE --: Wir hatten bei einer Weltmeisterschaft einen Ausrüster, dem eine schlechte Marge von Federn geliefert wurde und selbst wohl am meisten darüber betrübt war und alles daran setzte, dieses auszugleichen und eine Wiederholung zu vermeiden. Auf Initiative der FIG TRA TK, setzten sich Vertreter der FIG, Herstellerfirmen und des Prüfinstitutes zusammen, um eine Qualtätsprüfung von Federn zu entwickeln, die im Vorfeld mindere Qualitäten ausschließen kann. Dieses wir in die nächste Normen der FIG aufgenommen, allerdings schon in den Firmen und am Prüfinstitut praktiziert.
GYMmedia --: Wie beurteilen Sie mit Blick auf die Kontinentalverbände die Entwicklung der Sportart im internationalen Rahmen? Welches Leistungsgefälle gibt es? Wo passieren z. Zt. die stärksten Entwicklungen ... und warum dort?
* KUNZE --: Unser Sorgenkind ist immer noch Afrika, allerdings haben die FIG und mehrere Verbände aus Europa im Rahmen der Olympic Solidarity und aus eigenem Antrieb Hilfe geleistet und erste Erfolge erzielt, sprich 6 Nationen aus Afrika waren an den letzten Weltmeistermeisterschaften beteiligt. Die FIG hat viele Projekte im panamerikanischen Gebiet unterstützt und wir haben dort nun fast 10 Nationen, die international beteiligt sind. Das Leistungsgefälle ist gar nicht so groß, da überwiegend in die Ausbildung von Trainern investiert wurde, die spezifisch technischen Möglichkeiten also gegeben sind, was man auch an der Sprungtechnik der Athleten sehen kann. Ewas anderes ist die gezielte Leistungssportentwicklung, da sind reichere Sportverbände sicherlich im Vorteil.
GYMmedia --: Zwei langjährige Leistungsträger des deutschen Trampolinturnens (Dogonadze, Stehlik) haben ihre Laufbahn beendet. Trotz starker Nachwuchsleistungen sind momentan zu wenig internationale Spitzenleute sichtbar. Fehlen hier die Bedingungen im Übergangsfeld zur Spitze ...?
* KUNZE --: Hinzu kommen sicherlich auch langwierige Verletzungen oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen bei weiteren Turner/innen, die schon im Spitzenbereich angekommen waren. Ich bin aber im DTB nicht so am Puls, dass ich mir hier Aussagen erlauben könnte.
GYMmedia --: Trampolinturnen als eine der ästhetischsten Turndisziplinen, ist - insbesondere im Zeitalter der Superzeitlupen - nahezu ideal für TV-Stationen ablichtbar! Die Wettkampfabläufe sind ebenso absolut fernsehfreundlich. Trotzdem ist Trampolinturnen so gut wie gar nicht in der (deutschen) Sportberichterstattung päsent. Woran liegt das, und was wäre Ihrer Meinung nach zu tun ...?
* KUNZE --: Wenn ich d a s wüsste ....! Turnen ist ja auch nicht so übermäßig viel zu sehen. Wir sind wohl immer noch zu kompliziert, obwohl wir unsere objektiven Kriterien sofort einblenden könnten, 'ToF' und Schwierigkeit. Wir arbeiten auch an einer Darstellung der horizontalen Verschiebungen. Hapern tut es sicherlich an einer wirklich professionellen Schnittstelle zwischen FIG, kontinentalen und nationalen Verbanden einerseits und den Medienvertretern andererseits.
GYMmedia --: Wo liegen aus der Sicht des FIG-TK-Präsidenten die allerwichtigsten Schwerpunkte auf dem Wege zu den 5. Olympischen Trampolinwettbewerben 2016 in Rio de Janeiro?
* KUNZE --: Wir habe schon Einiges getan und neben den Halbfinals bei Weltmeisterschaften unter anderem auch ein neues Bewertungssystem geschaffen, welches auch im Haltungsbereich zu mehr Objektivität führen soll. Die Kampfrichter geben nur noch ihre Einzelwerte (zB. 0.1 oder 0.2) ein und der mediane Wert der 5 Kampfrichter für jeden Sprung wird vom Computer ermittelt und geht in die Wertung ein. Des weiteren wird zur Zeit in der FIG über ein neues Qualifikationssystem diskutiert, allerdings erst für 2020, in dem eine kontinentale Qualifikations berücksichtigt werden soll. Wenn wir mehr Plätze zu vergeben hätten, würde dies sicherlich zu einem Boom unser Sportart in mehreren Kontinenten führen.
GYMmedia --: Sie selbst sind seit 1990 im Amt und einer der exzellentesten Kenner der internationalen Trampolinszene. Wie sieht Ihre persönliche Planung aus?
* Horst KUNZE --: Ich möchte es vielleicht noch im TK-Präsidentenamt erleben, daß wir 2020 zumindest 5 Plätze mehr (pro Gender) für die Olympischen Spiele erhalten und vielleicht auch Synchron Trampolinturnen olympisch wird.
GYMmedia --: Herr Kunze, vielen Dank für das Gespräch, ein erfolgreiches Trampolinjahr 2014 und allzeit bestes "Flugwetter"!
* Das Gespräch führte GYMmedia-Chef Eckhard Herholz