Stephanie Flatow, Volker Kluge vor der Berliner Schlüterstraße 49 |
Am heutigen Freitag begeht die Flatow-Oberschule - eine Eliteschule des Sports in Berlin-Köpenik - den 20. Jahrestag ihrer Namensgebung.
Benannt nach dem 3-fachen Turn-Olympiasieger Alfred Flatow (1896), sowie seinem Cousin Felix Flatow, der den siegreichen deutschen Riegen an Barren und Reck (1896) angehörte, die in den 40-er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Juden vom Nazi-Regime nach Theresienstadt deportiert wurden und dort umkamen, pflegen die heutigen Schülergenerationen das Andenken an die Flatows auf äußerst aktive Weise.
So laufen an der Schule auch diesbezügliche Ausbildungsprojekte.
Gestern gestalteten die Sportschüler z. B. kleine Programme bei der Verlegung von "Stolpersteinen" vor den letzten Wohnstätten der Berliner Olympioniken.
<< So fand in Berlin-Charlottenburg die einzige noch lebende Nachfahrin der Flatow-Familie, die Niederländerin Stephanie Flatow, vor der letzten Berliner Wohnadresse in der Schlüterstraße 49 ihres Großvaters Felix FLATOW und seiner von den Nazis ermordeter Familienangehörigen, wo bereits 2011 eine Gedenktafel enthüllt wurde, nachdenkliche Worte der Erinnerung und Mahnung ...
Stolpersteine für die Flatows in Berlin
Stephanie Flatow (NED; mit Blumen) sowie Sportschüler der Flatow-Eliteschule des Sports während würdigender Worte des Berliner Olympia-Chronisten Volker Kluge
Blumen auf den Stolpersteinen, und eine tiefbewegte Stephanie Flatow |
Stolpersteine des Gedenkens an die NS-Opfer wurden zuvor auch vor der Landshuter Strasse 33 in Berlin-Schöneberg verlegt, für Felix FLATOW und seine Schwestern Else und Margarete
Tiefbewegt war die Enkelin Felix, Stephanie, die als letzte lebende Vertreterin der Flatow-Familie aus den Niederlanden angereist war und fand beeindruckende Worte des Gedenkens vor dem Haus ihres Großvaters, in welchem auch ihr verstorbener Vater Stephan vor der Emigration (1933) nach Holland aufwuchs.
Am Tag der spannenden Wahlen in den Niederlanden stellte sie bitter fest, "dass es leider in ihrem Lande eine fremdenfeindlich-eingestellte Partei geschafft hat, in der Regierung zu sein ...".
Um so mehr freue sie sich, dass gerade in Deutschland und hier in der Schlüterstraße Berlins, ihre jüdischen Verwandten geehrt werden, " ... auch wenn es keine staatlichen Initiativen sind, die diese Stolpersteine verlegen lassen, beweisen gerade diese privaten Aktivitäten bemerkenswerten Bürgersinn".
In seiner Ansprache in der Landshuter Str. 33 verwies zuvor DTB-Präsident Rainer Brechtken auf die Tatsache, dass seit 1987 die Flatow-Medaille die höchste Auszeichnung des Deutschen Turner-Bundes ist, mit der herausragende Mitglieder bei Deutschen Turnfesten geehrt werden. |
Volker Kluge, tröstet die tiefbewegte Stephanie Flatow ... |
Unter den bislang 33 Ausgezeichneten waren z. B. auch die Berlinerinnen und Deutschen Turnmeisterinnen Yvonne Pioch (1998) und zuletzt Katja Abel (2009).
"Wir können die Zukunft nur gestalten, wenn wir die Vergangenheit kennen und bewältigen", so Brechtken, der eindringlich unterstrich, " ... dass alle, selbst kleinste Anfänge von Diskriminierung, ernst genommen werden müssen, um Frieden, Demokratie und soziales Miteinander zu garantieren und um keine Diskriminierungen Anderer aus politischen, religiösen, oder anders gearteten Gründen ... zuzulassen!"
Dem Geschichtsbewusstsein und auch der Hartnäckigkeit des Journalisten und Publizisten Volker Kluge war es zu verdanken, dass das Schicksal der beiden jüdischen Turner auch in der DDR wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurde und man ihnen endlich eine gebührende Ehrung zuteil werden ließ.
Unter den Gästen in der Landshuter Strasse auch zwei ehemalige Vize-Präsidenten des DDR-Sports, Prof. Dr. Horst Röder und Rodel-Olympiasieger Dr. Thomas Köhler |
Es war Mitte der 80'er Jahre der Berliner Journalist und Olympia-Chronist Volker Kluge der im Zuge von Recherchen über die Flatows das Grab von Gustav Felix Flatow in der KZ-Gedenkstätte von Theresienstadt (Terezin in Tschechien) entdeckte. Er teilte diese Entdeckung dessen Sohn Stefan Flatow mit, der all die Jahre in Rotterdam gelebt und vom Grab seines Vaters nichts gewusst hatte. Stefan Flatow, der Deutschland eigentlich nie wieder betreten wollte – außer seinem Vater sind auch mehrere Geschwister ermordet worden – nahm daraufhin eine Einladung zur Auszeichnungsfeier der „DDR-Sportler des Jahres“ 1986 an.
Bei dieser Ehrung in Berlin, organisiert von der damaligen Jugendzeitung „Junge Welt“, überreichte Turn-Olympiasieger Roland Brückner dem 70-jährigen Stefan Flatow die Stiftungsurkunde für einen Flatow-Pokal des Turnverbandes der DDR.
Der Preis war beiden Flatows gewidmet, Alfred und Gustav Felix, und wurde für die beste Turnmannschaft der DDR vergeben.
Die Turner des SC Cottbus konnten ihn 1987 erstmals in Empfang nehmen.
(vgl. "200 Jahre Turnbewegung", Kap. V: Turnen in der DDR von Andreas Götze")
Fußballer Linus Beer bei der Rezitation des Gedichtes 'STEINE' von Silke Kast: |
Bei den Stolpersteinen, die in das Pflaster der Gehwege eingelassen wurden, handelt es sich um Gedenksteine aus Beton mit 10 x 10 Zentimeter großen Messingplatten, auf denen die Namen und Lebensdaten der Opfer des NS-Terrors eingraviert sind.
Sie beruhen auf einer Idee des in Berlin geborenen Künstlers Gunter Demnig. Sie liegen inzwischen in mehr als 500 deutschen Orten und auch in etlichen anderen europäischen Städten. Allein in Berlin wurden seit 1996 nahezu 4.500 Stolpersteine verlegt, deren Finanzierung ausschließlich durch private Initiative erfolgt.
Paten der Stolpersteine für Alfred und Felix Flatow sowie deren ebenfalls verfolgten Angehörigen sind die Berliner Flatow-Oberschule bzw. der Herausgeber des "Journal of Olympic History", Volker Kluge. der vor den Schülern nocheinmal den historischen Bogen der Flatow-Biographien spannte ....
Unterstützt wurden sie auch durch die Stolperstein-Initiativen Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf.
Mit einer Feierstunde im Rahmen der diesjährigen Sportlerehrung begeht die Flatow-Oberschule in der Köpenicker Birkenstraße 11 am 14. September 2012 den 20. Jahrestag ihrer Namensgebung.
Die Eliteschule des Sports, die bereits einer Vielzahl erfolgreicher Sportler hervorgebracht hat, war zuletzt bei den Olympischen Spielen in London mit zehn Absolventen vertreten, von denen im Rudern Martin Sauer als Achter-Steuermann Gold sowie Julia Richter und Britta Oppelt im Doppelvierer Silber gewannen.
Auch den übrigen ehemaligen Schülern gelang in London der Sprung unter die Top 10.
Den Nachwuchsathleten der Flatow-Oberschule sind die Wettkämpfe im Kanurennsport, Rudern und Segeln um den F l a t o w-C u p vorbehalten. Sie werden am Samstag, den 15. September, ab 9 Uhr auf der Regattastrecke in Berlin-Grünau ausgetragen.
Einen Flatow-Pokal der Turner gibt es leider nicht mehr, auch fehlten junge Turnerinnen oder Turner des Berliner Turnerbundes in den besinnlichen Minuten des Gedenkens an diese Berliner Olympia-Schicksale ...!
(c) GYMmedia INTERNATIONAL
Eckhard W. Herholz