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Mit 14 war Mohammad Eid Krouma syrischer Jugendmeister im Gerätturnen, mit 18 beginnt er nach abenteuerlicher Flucht ein neues Leben im Ruhrgebiet. Zuvor in Damaskus lebend, sollte er ab seiner Volljährigkeit zum Militär eingezogen werden: " ... ich wollte nicht sterben und auch keinen Menschen töten ...", so beschreibt er die Gründe, die ihn schließlich zu seiner Flucht aus Syrien veranlassten. Momentan trainiert er beim früheren georgischen Nationalturner Shalva Dalakishvili und wurde bereits in einem Zweitligakampf des TZ Bochum/Witten (TZB) eingesetzt - beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit es gelingt, Integration mit den Mitteln des Sports, des Gerätturnens, in Gang zu setzen, wenn damit auch längst nicht alle Probleme der Eingliederung zu lösen sein: Nikolaj Spiegel hat die besondere Geschichte dieses jungen Mannes aufgeschrieben
Mohammad Eid Krouma: mit Turnen wieder Boden unter die Füße bekommen ...!
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Mohammad Eid Krouma - Turnen hilft bei Eingliederung
- von Nikolaj Spiegel
Als mitten in der Nacht, auf hoher See zwischen dem türkischen Festland und der griechischen Insel Lesbos der Motor des überfüllten Schlauchbootes ausfiel, drohte der Traum von Mohammad Eid Krouma jäh zu platzen. Wasser drang in das Boot, und es gelang nur mit vereinter Hilfe der insgesamt 54 Menschen an Bord, die Überfahrt doch noch zu bewältigen und griechischen Boden unter die Füße zu bekommen ....
„Es war eine sehr gefährliche Situation. Wir waren sechs Stunden auf dem Meer und mussten die ganze Zeit Wasser aus dem Boot schaufeln“, beschreibt der 18 Jahre alte Syrer diese dramatischen Momente.
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Das ist Vergangenheit, gelegentlich noch quälende Erinnerung.
Mohammad hat es geschafft, zunächst nach Lesbos und dann weiter nach Deutschland. Heute wohnt er in einer Flüchtlingsunterkunft in Hattingen, ihm wurde der Aufenthalt bewilligt. Mohammad hat also das Recht, sich in Deutschland zur Durchführung eines Asylverfahrens aufzuhalten. Die Zeit bis zur Entscheidung über seinen dann wohl endgültigen Status jedoch einfach nur abzuwarten, kam für Mohammad nicht in Frage. Er belegte rasch einen Deutschkurs und knüpfte Kontakte zu ehrenamtlichen Mitarbeitern der Flüchtlingsunterkunft. Diese wiederum entdeckten schnell die Begeisterung des jungen Syrers für den Sport, insbesondere für das Kunstturnen.
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Zerstörungen in Damaskus |
„In Syrien ist Turnen eigentlich nicht sonderlich weit verbreitet. Ich liebe aber diesen Sport und habe schon mit zehn Jahren in Damaskus damit angefangen. Mit 14 bin ich dann syrischer Jugendmeister geworden“, erklärt Mohammad, der bis kurz vor seinem 18. Lebensjahr zusammen mit seinen fünf Geschwistern in Damaskus lebte und dort natürlich zur Schule ging. „Sobald ich volljährig gewesen wäre, hätte ich dann aber für das Militär kämpfen müssen. Ich wollte nicht sterben und auch keinen Menschen töten“, schildert er die Gründe, die ihn schließlich zur Flucht aus Syrien veranlassten.
Nach eingehender Beratung mit seiner Familie entschied er sich vorerst für eine Reise in die Türkei. Zu dieser Zeit brauchte er dafür noch kein Visum und konnte deshalb auch problemlos einreisen.
In Istanbul fand er schnell Kontakt zu einem Turnverein, der ihn unterstützte, und zu einem Trainer, der ihn bei sich zu Hause aufnahm. „Leider hatte ich in der Türkei aber keine richtige Perspektive. Ich wollte unbedingt weiter turnen, hätte aber sicherlich nie einen türkischen Pass erhalten“, sagt Mohammad im Rückblick. Wieder musste seine Familie eine schwierige Entscheidung treffen: Da war einerseits der unsichere Verbleib in der Türkei und andererseits die gefährliche und teure Reise mit Hilfe eines Schleppers nach Griechenland und somit in die EU. Nach eingehender Beratung mit seinen Eltern fiel die Wahl schließlich auf die Flucht und die bereits erwähnte nächtliche Überfahrt nach Lesbos.
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Dietrich Spiegel, 1. Vorsitzender TZB |
Aber der Weg in den deutschen Westen sollte ihm noch einige weitere Anstrengungen abverlangen. Durch Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich führte ihn seine Route, bis er schließlich, nach einem kurzen Zwischenstopp in München, im Ruhrgebiet eintraf - und schon bald wieder an den Turngeräten zu finden war. „Er hat zu Beginn noch in Hagen trainiert, war dort aber völlig unterfordert. Er ist extrem zielstrebig und hat uns damit alle sehr beeindruckt“, erinnert sich der erste Vorsitzende des Turnzentrums Bochum/Witten (TZ), Dietrich Spiegel, an seine erste Begegnung mit dem jungen Syrer.
Mohammad wurde daraufhin sofort in den noch laufenden Ligabetrieb eingebunden. „Er ist mit uns zum letzten Zweitligawettkampf gefahren und hat auch an zwei Geräten geturnt. Er passt sehr gut ins Team“, sagt der Liga-Koordinator des TZ, Peter Dekowski.
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Trainiert wird Mohammad Eid Krouma aktuell vom ehemaligen georgischen Nationalturner Shalva Dalakishvili, der in Mohammad viel Potential entdeckt hat. „Er bringt sehr gute Voraussetzungen mit. Wenn er so weiter trainiert, dann hat er die Chance sehr gut zu werden“, sagt Dalakishvili, der aktuell bis zu sechsmal wöchentlich mit Mohammad in der Halle steht. Der hat sich schon einige ambitionierte Ziele vorgenommen: „Ich möchte einen Schulabschluss machen und auf eigenen Beinen stehen bis ich 25 Jahre alt bin. Und als Turner würde ich am liebsten international für Deutschland antreten.“
Nur eines fehlt Mohammad aktuell noch zu seinem Glück: „Natürlich will ich auch meine Familie nach Deutschland holen, das ist aber leider ziemlich kompliziert."
* - aufgeschrieben für GYMmedia
von Nikolaj SPIEGEL