21. Dezember 2006
München, Straubenhardt
Gerätturnen
Heuschreckenalarm in der Turnliga
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Turner des FC Bayern protestieren gegen Abwerbepraktiken
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Nach dem der Titelverteidiger des Vorjahrs, die
KTV Straubenhardt ohne seine 'eingekauften' Stars Hambüchen und Wammes am Wochenende ziemlich sang- und klanglos gegen einen mit Spitzenleistungen auftrumpfenden
SC Cottbus das
Finale der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft verlor, gibt es neue Turbulenzen:
Der sich in höchster Personalnot befindliche schwäbische Verein betreibt rundum Abwerbeversuche bei allen möglichen Klubs. Das führte u.a. zu einem Antrag des
FC Bayern Münchens an das Präsidium der Deutschen Turnliga, den KTV Straubenhardt vom Ligabetrieb der DTL auszuschließen...
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Marcel NGUYEN, WM-Turner in Aarhus, TV Unterhaching
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Die Fakten
So sollen die Straubenhardter nach allen Seiten hin Turnern Angebote für den Bundesligastart in ihren Reihen unterbreitet haben:
Nationalturner Marcel Nguyen bot man z.B. 1.000,- Euro monatlich sowie weitere 1.000,- Euro Handgeld für jeden Wettkampf. Ähnlich verfuhr man mit Nationalturner Philipp Boy vom SC Cottbus. So sprach man auch den saarländischen Mehrkampfspezialisten Eugen Spiridonov ebenso an, wie auch den Niedersachsen Robert Weber und andere.
Straubenhardt in Not
Obwohl dort in Straubenhardt Turnbegeisterte eine Spitzenarbeit leisten, Super-Veranstaltungen der 1. Bundesliga mit vollen Rängen organisieren, Sponsoren zur Verfügung haben, auch Nachwuchs aufbauen, besitzen sie eben zur "Erstklassigkeit" momentan noch nicht über genügend (deutsche) Eigengewächse.
Die eigene Ligaordnung besagt, dass pro Gerät nur ein Ausländer an den Start gehen darf und "deutsch" ist man mit dem Besitz eines deutschen Passes. Als nun der aus Wetzlar verpflichtete deutsche Spitzenmann Fabian Hambüchen und der "niederländische Import" Jeffrey Wammes wegen ihres Einsatzes zum Weltcup in Sao Paulo nicht zur Verfügung standen, und auch Thomas Taranu wegen Verletzung fehlte, war das Dilemma der Straubenhardter öffentlich sichtbar: Zur Enttäuschung des Publikums gab es - außer einer hochklassig turnenden Lausitzer Meisterriege absolut keinen Spannungsbogen dieses Finals, und die Show alleine war nun das Letzte was die DTL-Verantwortlichen wollten oder die Heidelberger Superorganisatoren verdient hätten!
Münchener Protest
So richtete sich einer der von o. g. Abwerbung betroffenen Vereine, der FC Bayern München, mit Schreiben seines Vereinspräsidenten Bernd Rauch sowohl an die DTL und mit Briefen auch an DTB-Präsident Rainer Brechtken sowie an den Sportausschuss des Deutschen Bundestages (Eberhard Gienger).
Erste Reaktion des DTL-Geschäftsführers Ralf Neumann:"Auch wir haben Kenntnis von den gennannten Vorgängen. Von 40 DTL-Vereinen stehen 39 hinter der von ihnen selbst beschlossenen Satzung. Die schließt zunächst einmal derartige Praktiken nicht aus, bringt aber tatsächlich den KTV Straubenhardt in eine komplizierte Lage. Wenn man also momentan über keine eigenen Turner verfügt, müsste man eben vermutlich mal mit einem Mittelplatz zufrieden sein. Dies ist im übrigen auch anderen Clubs in der Vergangenheit so ergangen. ...! Wir werden uns Anfang Februar zu unserer DTL-Mitgliederversammlung in Leipzig erneut mit dem Problem beschäftigen!"
Teufelskreis...
Das ist schon ein Teufelskreis, in welchem sich der umtriebige Chef des KTV Straubenhardt, Herbert Laupp, befindet, der ja eigentlich eine herausragende und engagierte Arbeit leistet und viel für die wachsende Popularität des Spitzenturnens tut, aber:
Keine erste Liga, keine Leistung - keine Sponsoren - kein Geld, keine Topstars - keine Zuschauer...!
Um da auszubrechen tummelt sich eben unter Laupp'scher Regie eine Vielzahl von ausländischen Gaststartern, und die eigenen Leute von Stützpunkttrainer Alexei Grigoriev - der übrigens auch aus dem erfolgreichen Ligabetrieb finanziert wird - sind eben als sogenannte "DTB-Perspektivkader" noch zu jung.
Bekannt aber sind auch Bemühungen des Schwäbischen Turnerbundes, Jungstar Hambüchen von Straubenhardt weg, hin zum "TT Stuttgart" zu ziehen - der neue Sponsor EnBW macht's möglich. Dagegen wiederum will sich Herbert Laupp mit juristischen Mitteln wehren...
... oder Quadratur des Kreises?
Kritiker der Straubenhardt'schen und solcher Methoden generell sehen darin eklatante "Verstöße gegen die Grundsätze der Gemeinnützigkeit als Basis des Amateurstatusses ... und der Grundsatzaussage der Deutschen Turnordnung.".
Erstrangig aber geht es um den unumstößlichen Fakt, dass die Ausbildung im Gerätturnen mit Leistungsanspruch ein höchst komlexer und zeitintensiver Akt ist, der einen wichtigen Teil des Lebens von Kinder und Jugendlichen umfasst. Diese Investitionen an Erziehung, spezieller Bildung, Liebe und Zuwendung kosten nicht nur Geld, sondern Engagement vieler Beteiligten. Und Engagement schafft Bindungen, ohne die der Sport zum seelenlosen Geschäft, der Sportler mit seiner Leistung zur Ware verkommt. Auch wenn die Welt voller solcher Geschäfte ist:
Die Turner tun gut daran, diese moralische Kategorie zu diskutieren und die Einwände der betroffenen Vereine ernst zu nehmen.
Letztendlich kommt niemand im Turnen drum herum: Vor der Show kommt erst die harte Arbeit - nur der Zirkus beschäftigt ein Ensemble aus aller Welt
Eckhard Herholz, GYMmedia
Meinungen dazu sind durchaus erwünscht in unserem
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