20. März 2019  
London, Birmingham  
Gerätturnen

... spinnen die, die Briten?

Da halten die Briten schon mit ihrem endlosen medialen Gedöns des Brexit mindestens die halbe Welt in Atem! Doch irgendwie passt dazu auch diese eigentlich unerklärliche Sachlage im internationalen Kunstturnen: Da laden doch am kommenden Samstag Internationaler sowie Nationaler Britischer Turn-Verband zum apostrophierten Highlight nach Birmingham ein - gleich nach Stuttgart, nun zum dritten der vier Mehrkampf-Weltcups des Jahres, der eigentlich eine Top-Sportveranstaltung auf Einladungsbasis sein soll und wo es doch - zumindet nach Absicht und Bestreben des Weltverbandes (FIG) - zu einer Ansammlung der "Besten der Welt" kommen soll. Doch exakt zeitgleich (!) versammeln sich "Superstars" der internationalen Kunstturnszene in Londons O2-Arena faktisch zu einer Gegenveranstaltung!

... der "echte" Weltcup in Birmingham! am kommenden Samstag

Nicht nur der eigentlich schon vom aktiven Spitzensport zurückgetretene Fabian Hambüchen, der sich noch einmal für diesen Kurzauftritt aktivieren ließ, nein, auch die aktuellen Leistungsträger Elisabeth Seitz und Marcel Nguyen gehenalso dort in die Showspur, die sich noch eben in der Stuttgarter Porsche Arena um Weltcup-Punkte bemüht hatten.
Ein Schelm, der dabei nicht ahnt, worin die Ursache dieser Wahl liegt, wenn man schon den in der Topszene des Spitzensports sonst eher bescheiden honorierten Turnerinnen und Turnern gern anständige Honorare gönnen würden ...! (Ohnehin besteht wohl kaum die Gefahr, dass sich nun Elisabeth Seitz und Marcel Nguyen Rucksäcke für 18.000 Euro zulegen!!)
Veranstalter des Show-Spektakels in Londons O2-Arena ist die Fa. Matchroom Sport Limited, geführt von einem der einflussreichsten Sportpromoter, Barry HEARN, der seit Jahren Randsportarten wie Snooker, Bowling oder Dart und selbst Poker ins Fernsehen brachte und seit den Neunzigern auch Großbritanniens erfolgreichster Boxpromoter ist.
Als das britische Kunstturnen nach einem Jahrzehnt erfolgreicher Investitionen und positiver Enwicklungen über die Olympischen Spiele 2012 auch vier Jahre später in Rio de Janeiro erneut erfolgreich war, beschloss dieser Hearns, sich nun auch der Turnerei zu widmen, deren Exponenten zu "globalen Superstars" zu machen, hatten doch ca. 10,4 Millionen Briten die goldene olympische Pauschenpferdübung ihres Max Whitlock im Fernsehen verfolgt. Das galt es nun wirtschaftlich umzusetzen.
So übernahm Barry Hearn zunächst als Partner des Britischen Turnverbands und als Promoter den Weltcup 2017 in London mit der Zielstellung, daraus nicht nur ein provinzielles Inlandereignis zu gestalten, sondern: " ..., es geht darum, diese Jungs zu globalen Superstars zu machen. Nicht nur alle vier Jahre, sondern jeden Tag,“ so verkündete er 2016 seine Prämisse ...

Matchroom-Chef Barry HEARN (Mitte) schloss nach Rio mit dem Britischen Turnverband einen Vertrag, holte den traditionell in Glasgow angesiedelten Weltcup 2017 nach London und und posierte dafür hier (2016) mit den britischen Turn-Stars; doch das ist nun auch schon wieder Geschichte!!
(c) British Gymnastics

Nun sei doch nichts gegen publikumswirksame Show-Veranstaltungen einzuwenden, doch was am kommenden Samstag zeitgleich (!) in Birmingham und London geschieht, ist eine Konfrontation, ein offensichlicher Affront, gleicht einer Medienschlacht!
Denn genau dieser Mann inszeniert zwei Jahre später, nach Trennung vom Britischen Turnverband, gegen selbigen defacto eine Gegenveranstaltung, die er auf seinem eigenen TV-Kanal "Sky sports mix" sowie allen Online-Kanälen weltweit live vermarktet. So demonstriert er auf deutliche Weise, wie es um den Einfluss der Medien und des Geldes auf den Sport und dessen Athleten bestellt ist, zeigt somit auch die peinliche Hilflosigkeit der angestammten Strukturen des Spitzensports, denen auf makabre Art selbst Werte und Regeln mit der Macht des Geldes nun scheinbar aus der Hand genommen werden.
So gelten z. B. auch in Londons O2-Arena nicht etwa die üblichen Abläufe und Regeln sportlicher Bewertungen, sondern die größten Exponenten der Sportart selbst, wie Simone Biles, Max Whitlock, Amy Tinckler und Laurent Landi bilden eine sogenannte Show-Jury, die auf einer Sympathieskala bis zu 10 Punkte für "Flair, kreative Choreografie, Ausführung und Engagement" zusammen mit dem Live-Publikum in der O2 Punkte vergeben werden.
Na fein, was für ein Gaudi!
Und zeitgleich mühen sich in Birmingham die vom Weltverband für den Weltcup sogenannten (- aber weitestgehend unbekannten) "weltbesten Mehrkämpfer" um öffentliche Aufmerksamkeit - doch die "Superstars of Gymnastics" vergnügen sich gerade in London ...?! Da spinnen doch wohl nicht nur die Briten oder ...?!
Was für eine verrückte Welt !
* Eckhard Herholz (GYMmedia INTERNATIONAL)


* P. S.:
... wie überhaupt sich der internationale Weltturnkalender noch durch weitere Unerklärlichkeiten auszeichnet,
denn die FIG veranstaltet neben dem 
> 3. Mehrkampf-Weltcup in Birmingham parallel dazu
noch den 
> 3. Challenge Cup (Einzelgeräte) in Doha.