Bernd JÄGER: Turn-Erfinder |
" ... das Flugwesen, es entwickelte sich ...!"
Ein Mann wird heute 70 Jahre alt, dessen Name wie kein anderer eine wichtige, weltweite Entwicklung des modernen Kunstturnens einläutete:
Der Thüringer Bernd JÄGER aus Stadtroda zeigte zu den 18. Turn-Weltmeisterschaften 1974 im bulgarischen Warna einen Salto vorwärts gegrätscht zum Hang am Reck, der als sogenannter "Jägersalto" Eingang in die internationale Turnterminologie fand, wie kaum ein anderer. Als erstes Flugelement der Geschichte löste es eine ganze Kette weiterer Kreationen mit Lösen des Griffes und Wiedererfassen der Reckstange aus.
So folgten zur EM 1977 in Wilnius mit Stojan Deltschew der "Deltschew"-Salto, dessen gebückte Variante ein Jahr später zur WM in Strasbourg Eberhard Gienger zum "Gienger"-Salto veredelte ...
* 1974, Cottbus: DDR-Reck-Meister Bernd Jäger, Trainer Richard Karstedt
- letzte Psycho-Instruktionen vor der Premiere seines Dreifachsaltos in der Cottbusser Stadthalle ...
In direkter Folge dieses Vorwärts-Saltos waren es zur Moskauer WM 1981 der Deutsche Daniel Winkler (TSV Heusenstamm) und gleichzeitig auch der Russe Alexander Pogorelow, die den gestreckten Jägersalto mit einer ganzen Drehung versahen. Weil Winkler zur WM früher auftrat, als der spätere Reck-Vize-Weltmeister von 1983, Pogorelow, heißt diese getreckte Version des Jägersaltos mit 1/1-Drehung auch seitdem "Winkler"-Salto.
Bernd Jäger bei seinem Jägersalto 1974 in Warna. |
Zu einem Zeitpunkt, als es am Reck, außer vielleicht der "Lissitzki-Bücke", im Prinzip kaum weiträumige Bewegungen mit Lösen des Griffes, und noch keine Salto-Bewegungen gab, kam Bernd Jägers damaliger Potsdamer Trainer beim Armeesportklub "ASK Vorwärts", Richard Karstedt, auf die Idee, die "Janzrolle" der Frauen, die die Berliner Olympiasiegerin von 1972 (München) Karin Janz damals in ihrer Münchner olympischen Goldübung am Stufenbarren als eine Grätschrolle zwischen oberem und unterem Holm hatte, auf das Reck zu übertragen.
Ein Jahr harte Arbeit und im September 1974, kurz vor der WM in Warna, zeigte der damals 22-Jährige dieses Element erstmals bei einem Länderkampf gegen die Schweiz in Altstätten.
Doch als 5 Wochen später zum Jahreshöhepunkt in Bulgarien Bernd Jäger zunächst im Barrenfinale eine Medaille knapp verpasste, dann aber im Reckfinale alles 'rausreißen' wollte, ... klappte zwar seine Weltneuheit, - ... seinen "alten" Doppelsalto mit ganzer Drehung aber, ... er landete ... auf dem Hosenboden.
Eberhard Gienger (BRD) - vom selben Jahrgang wie Jäger - wurde Weltmeister, Jägers damaliger zwei Jahre älterer Potsdamer Clubkamerad Wolfgang Thüne wurde "Vize" und er enttäuschter Fünfter.
Bernd Jäger mit seinem Nachwuchs in Rinteln |
Durch seinen Salto allerdings wurde sein Erfinder weltberühmt und noch heute führt die Weltelite seinen Namen an Reck und Stufenbarren allerorten und in Varianten in aller Munde.
Heute feiert Bernd Jäger mit seiner Frau seinen 70. Geburtstag im niedersächsischen Rinteln. Dort arbeitete er viele Jahre als Turntrainer beim dortigen Traditionsverein "Vereinigte Turnerschaft Rinteln 1848 e.V." als verantwortlicher Turntrainer. Mit Jan-Ole Petersen oder Max Krimm und andere hatte er bereits einige hoffnungsvolle Talente entwickelt.
Eigentlich stammt er aus dem thüringischen Stadtroda, hat einst bei der späteren Thüringer Landes-Turnverbandspräsidentin Anita Pester mit Turnen angefangen, ging später zur Sportschule Blankenburg und wurde von dort im Fördersystem der DDR zum damaligen Spitzenverein nach Potsdam, dem ASK "Vorwärts" Potsdam, delegiert, der in der DDR historisch so etwas wie das "Ursprungszentrum" des Leistungsturnen galt.
Bernd Jäger und Jari MÖNKÖNEN, einem der finnischen Nationalturner aus dem Olympiajahrgang 2000 |
Mitte der neunziger Jahre erhielt er beim Cottbusser Turnier der Meister ein Angebot von den Fiinnen, dort als Trainer zu arbeiten, um langfristig 2000 wieder als Mannschaft zu erscheinen. Ein halbes Jahr nach Arbeitsbeginn führte er mit Jari Tanskanen schon einen Finnen zu Reck-Gold.
"Jari konnte natürlich die Elemente schon, als ich im März 1997 kam. Das Problem war in erster Linie das Selbstvertrauen. Wir haben damals die Übung so umgestellt, dass sie passte und ihn psychologisch eingestellt."
Als dann aber die Finnen zur WM 1999 in Tianjin leider nicht so gut turnten verpassten sie Olympia 2000 in Sydney. "Ohnehin war mein Vertrag nur bis 2000 ausgerichtet", so Bernd Jäger im Rückblick, der nach EM-Silber 1998 dann mit der EM 2000 in Bremen wieder nach Potsdam zurückkehrte.
Hier aber gab es erst einmal nur den Weg zum Arbeitsamt für den früheren Weltklasseturner (vierfacher Deutscher Meister an Barren und Reck zwischen 1973 und 1975; Olympiadritter 1976 mit der Mannschaft und Olympia-Vierter am Barren) und späteren Potsdamer Cheftrainer.
Um erstmal in deutscher Heimat wieder "versicherungspflichtig erfasst" zu werden, meldete er sich bei einer Zeitfirma: "Ich arbeitete u. a. als Bodygard bei der Love Parade, dann auf dem Bahnhof in Rathenow und schippte drei Wochen lang für ein Stromversorgungsprojekt in Geltow Kabelgräben aus.... Dann erst galt ich fürs Arbeitsamt als 'wiedereingegliedert' und konnte mich daran machen, Bewerbungen zu schreiben ...!
Bernd Jäger und Gattin bei einem Besuch in seiner thüringer Geburtsstadt Stadtroda |
Seit März 2001 stand nun der Ex-Cheftrainer eines deutschen Spitzenclubs und temporäre Nationaltrainer Finnlands (1997 - 2000) beim "VT Rinteln" unter Vertrag und betreute dort alles was turnt, vom Kinder- bis zum Erwachsenenbereich und feierte mit seinen Schützlingen so manche Erfolge. Seine Gattin, die ehemalige Lehrerin an der Eliteschule des Sports in Posdam, ist beim VT Rinteln für die Finanzen verantwortlich, hat einen Blick auf die Mitgliederbetreuung und -entwicklung.
Noch einmal war er im Vorjahr bei einem kurzzeitigen Auslandseinsatz in Namibia tätig. Zur Unterstützung initiierte er eine ► Hilfsaktion für ein Leistungszentrum in Swakopmund, wo gerade ein in Deutschland gespendetes Ringegerüst nach langem Transportweg angekommen war. Aktuelle Planungen sehen vor, dort in Kürze gemeinsam mit dem deutschen Spender-Verein Blau-Gelb Bad Düben vorbei zu schauen - natürlich erst, wenn es die Pandemielage wieder zulässt!
* Eckhard Herholz, GYMmedia