31. Januar 2015  
Teneriffa (ESP) , Berlin  
Gerätturnen

Deutschlands erste olympische Einzel-Turn- Medaillengewinnerin feiert 70. Geburtstag

In ihrem jährlichen Feriendomizil auf der kanarischen Insel Teneriffa begeht heute Birgit MICHAILOFF- RADOCHLA - die olympische Silbermedaillengewinnerin von 1964 (Tokio, Pferdsprung) - ihren 70. Geburtstag. Vor gut einem halben Jahrhundert stand sie in der japanischen Metropole in der DDR-Bronzeriege, war Vierte im Mehrkampf sowie am Boden und gewann hinter der legendären Vera Caslavska (CSR) und gemeinsam mit der sowjetischen Star Larissa Latynina Silber am Sprunggerät. Damit war Birgit Radochla die erste deutsche Turnerin, die eine olympische Einzelmedaille gewann.
Schon mit 16 Jahren wurde Birgit Radochla 1961 in Eisenach jüngste DDR-Mehrkampfmeisterin der Geschichte und gewann insgesamt sieben Landesmeistertitel ...

Birgit Michailoff-RADOCHLA mit Ex-Sportjournalist und Buchautor Hans-Jürgen 'Zappel' ZEUME unlängst bei einem Ehemaligentreffen im Sportmuseum Berlin

Ihr erster Trainer in Döbern (Lausitz) war ihr Vater Helmut R a d o c h l a, der vor 1936 selbst Ersatzturner der deutschen Männerriege war, die in Berlin olympisches Mannschaftsgold errang. Bei den 16. Deutschen Meisterschaften 1949, die 1949 in Leipzig zugleich die 1. DDR-Meisterschaften waren, wurde Vater Helmut erster Meister am Pauschenpferd. Seine Tochter Birgit schickte er später an die Kinder- und Jugendsportschule Forst, zum kriegsgeschädigten, einarmigen Trainer Klaus Hellbeck, der wiederum Birgit dann zum SC Dynamo nach Berlin delegieren konnte. Als die KJS Forst 2014 ihr 70-jähriges Jubiläum feierte, war auch Birgit in Cottbus (- wohin die KJS in Folge umgezogen war) - zur Festveranstaltung nahm man allerdings nur Bezug auf die berühmten und heute noch sehr erfolgreichen Radsportler - von Birgit Radochla's außergewöhnlichen Leistungen war, kurioser Weise, dort keine Rede ...?!

... bei Training ihrer 'Radochlarolle'.

Ihren größten sportlichen Erfolg erzielte sie 1964 bei den Olympischen Spielen in Tokio, als die Neunzehnjährige gemeinsam mit der 10 Jahre älteren sowjetischen Turnlegende Larisa Latynina und hinter Mehrkampfolympiasiegerin Vera Caslavska (CSR) als erste Deutsche überhaupt eine silberne Einzelmedaille im Kunstturnen gewann:
* GYM v i d e o ---:  Pferdsprung-Finale - Tokio 1964
                     ... mit  Birgit RADOCHLA (GDR; - dritte Turnerin)


* Youtube (299)

Weltmeisterschaften, Olympia und EM
"Obwohl ich schon ziemlich ergeizig war, bin ich zur Turn-WM 1962 ziemlich unbelastet nach Prag gefahren. Ich hatte kaum Hoffnungen auf den Gewinn einer Medaille, so dass ich über den 4. Platz im Pferdsprungfinale sehr glücklich war."
Und 2 Jahre später sollte sie - die als Turnerin immer durch sicher zelebrierte Stände auffiel - als Gewinnerin der olympischen Silbermedaille und damit als erste deutsche Turnerin mit solch einem Einzelerfolg, in die Geschichte eingehen und unterstrich auch als Mehrkampfvierte ihre besonderen Qualitäten als Allrounderin.
Schon 1963 war sie auch für die IV. Europameisterschaften in Paris nominiert, allerdings wurde damals den Turnerinnen der DDR die Einreise verweigert (Hallstein-Doktrin; Alleinvertretungsanspruch BRD) - aus "brüderlicher Solidarität" blieben dann auch die UdSSR und die anderen sozialistischen Länder der EM fern....

Birgit begrüßte 1992 in Kienbaum mit einer Rose die slowenische Turnlegende Leon STUKELJ

Der Trend hieß: Verjüngung
Allerdings begann sich da schon stark der Trend zur rigorosen Verjüngung abzuzeichnen, der besonders und zuerts in der DDR forciert wurde; da hieß es "die Alten raus" und spätestens seit 1967 machten dann solche jungen Turnerinnen wie Karin Janz, Angelika Striegler, Marianne Noack von sich reden...
Als sich Birgit Radochla zwischen DDR-Meisterschaften und Olympischen Spielen 1968 nach stundenlangen Gesprächen mit dem damaligen DTV-Generalsekretär weigerte, in die SED einzutreten, entstand um sie herum eine eigenartige Stille, ... keine Nominierung mehr ins Olympiateam der DDR,... sie wurde einfach nicht mehr berücksichtigt, kaum noch erwähnt ... so nahm ihre außergewöhnlich erfolgreiche Karriere ein eigenartig "ruhiges" und wenig euphorisches Ende.

Birgit Radochla-Michailoff mit ihrem Gatten Dr. Michail Michailoff

Rückkehr zum Turnen
Der DTSB der DDR forcierte Mitte der 70'er Jahre besonders den Ausbau des Förderstufensystems, baute die sog. "1. Förderstufe" zu einem in der Folge vorzüglich funktionierenden System der Trainingszentren aus und setzte dort speziell ausgebildete hauptamtliche Trainer ein.
So begann auch Birgit Radochla im TZ Brandenburger Tor in Berlin-Lichtenberg als absolute Spezialistin und qualifizierte Kennerin der Szenerie dort als Trainerin zu arbeiten: "Ich habe das immer sehr gerne gemacht, weil ich auch früher schon immer lieber in die Turnhalle, als in die Schule gegangen war.

Birgit Radochla, mit den 68'er-Olympiaturnerinnen Maritta Grießig-Bauerschmitt und Magdalena Schmidt.

*Fotos: GYMmedia-Archiv: J. Leisling; P. Frenkel; GYMmedia; K.-H. Friedrich
Red. Zuarbeit: H.-J- Zeume