![]() |
Ein historischer Blick, 65 Jahre zurück in deutsche olympische Turngeschichte, erklärt die Nichtteilnahme deutscher Turnerinnen an den Spielen der XVI.Olympiade, Melbourne 1956: Die Gründe: Borniertheit auf der einen Seite und Schwangerschaft auf der anderen. Dies führte im damals zweigeteilten Deutschland schließlich zur gänzlichen olympischen Abstinenz des deutschen Frauenturnens!
Im Vorfeld fanden dazu am 7. und 8. Januar 1956 im Leipziger Hotel "International" Verhandlungen zwischen dem Deutschen Turner-Bund (DTB) der BRD und der damaligen "Sektion Gymnastik und Turnen" der DDR statt, der Vorläufer-Organisation des späteren Deutschen Turnverbandes der DDR (DTV).
Der DTB-Delegation der Bundesrepublik gehörten u. a. der Bundesoberturnwart des Deutschen Turner-Bundes (DTB), Herr Dr. Dommel aus München an, der Herr Heinz Andrè sowie Kunstturnwart Rudolf Spieth.
Die DDR-Seite wurde damals vertreten durch den späteren Präsidenten des Deutschen Turnverbandes der DDR (DTV), Erich Riedeberger aus Leipzig, sowie durch die Herren Werner Pöhland, Albin Lätzer und Peter Dobbertin, dem späteren und langjährigen DTV-Generalsekretär ...
Die Herren der DTB-Delegation gaben lt. Protokoll zur Kenntnis, dass sie auf Grund eines DTB-Beschlusses keine Frauenturnmannschaften zu den olympischen Wettbewerben nach Australien entsenden, "bei denen Pflichübungen ausgeschrieben waren". Diese waren allerdings international bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen offiziell! Damit brachten sie ihre "einsame" Ablehnung gegenüber den Tendenzen der modernen Entwicklung des internationalen Kunstturnens zum Ausdruck. Sie seien aber einverstanden, wenn DDR-Turnerinnen diese Möglichkeiten allein wahrnehmen würden ...! Daraufhin wurden auf DDR-Seite zwei Startplätze für Turnerinnen für die Teilnahme an den Spielen in Melbourne 1956 vorgesehen.
Am 22. September 1956, zum definitiv letzten deutschen NOK-Gipfel im Hotel "Elefant" in Weimar, wurde dann die deutsche Olympiamannschaft für Melbourne aufgestellt.
Zum Turnen hieß es dort DDR-seitig u.a. im Protokoll: "... bei den Frauen fallen die vorgesehenen zwei Nominierungen wegen Schwangerschaft aus...".
(Anmerkung: DDR-seitig betraf dies die beiden besten Turnerinnen Ingrid Föst und die Gattin des späteren DTSB-Präsidenten Vera Matschulat-Ewald.)
Historischer Exkurs
in Sachen deutsches olympisches Frauenturnen:
War die DTB-Frauenriege 1952 zu Olympia noch auf dem 5. Mannschaftsplatz zu finden, starteten erst 16 Jahre später wieder (Mexiko-City, 1968) bundesdeutsche Turnerinnen (9. Platz Mannschaft; beste Turnerin war damals Angela Kern (TuS Teningen). Erst mit Beginn der siebziger Jahre wurde wieder ein deutlicher Aufschwung mit solchen Turnerinnen wie Uta Schorn möglich, die als erste Turnerin das Mehrkampffinale (23.) in München 1972 erreichte. Ständige Verbesserungen führten in Montreal 1976 bereits wieder zu einem 7. Mannschaftsplatz, mit solchen international bekannten Turnerinnen wie Andrea Bieger - 12. im olympischen Mehrkampf, Jutta Ottersdorf (23.) und Petra Kurbjuweit (26.).
Der Olympiaboykott der BRD u.a. Länder gegen die Moskauer Spiele 1980 bedeutete zwar einen herben Rückschlag - generell für den Sport. Allerdings glänzte die DTB-Frauenriege dann vier Jahre später in Los Angeles mit einem herausragenden 4. Mannschaftsrang. Der wurde zwar in Abwesenheit der diesmal boykottierenden sozialistischen Länder (außer Rumänien) erzielt, aber Anja Wilhelm (12. Mehrkampf, 7.Balken), Brigitta Lehmann (6. Sprung, (31.), Astrid Beckers (23.), Elke Heine (36.) wiesen dort hohes internationales Leistungsniveau nach. Allerdings konnte sich dann die Bundesrepublik 1987 bei den Weltmeisterschaften 1987 in Rotterdam (15.Platz) nicht für die Olympischen Spiele 1988 qualifizieren. Die beiden Einzelstarterinnen Michaela Ustorf (79.) und Isabella von Lospichl (86.) blieben in Seoul ohne Chance.
Erstmals platzierte sich mit Ingrid Föst (9.) eine deutsche Turnerin unter den Top Ten des Mehrkampfes, die Mannschaft kam auf Rang 6.
Im Juni 2000 - wurde Maxi Gnauck als erste deutsche Turnerin der Geschichte in die "International Hall of Fame" in Oklahoma/USA aufgenommen. Ihr folgten danach Karin Büttner-Janz (2003), und die beiden Leipzigerinnen Erika Zuchold (2005) und Steffi Biskupek-Kräker (2011).